Einspielen
In Foren toben Dauerdiskussionen darüber, wie sinnvoll das sogenannte Einspielen oder Einbrennen von HiFi-Geräten oder elektronischen Bauteilen ist.
Die These: Die Klangeigenschaften von Bauteilen und Geräten unterscheiden sich zwischen dem fabrikfrischem Zustand und einer gewissen (Einspiel-) Zeit. Die eine Fraktion bestätigt dies, die andere lehnt es vehement ab; meist mit der Begründung: "Wenn sich da klanglich überhaupt etwas ändert, dann nur in unseren Köpfen – es handelt sich um psychoakustische Effekte". Anders ausgedrückt: Es handelt sich um Gewöhnung oder gar Einbildung. Und: Messtechnisch ließen sich Veränderungen nicht nachweisen.
Im Laufe vieler Jahre sammelte ich eigene Erfahrungen zu diesem Thema. In erster Linie interessierte es mich natürlich als Musikliebhaber, aber auch mein Beruf als E-Techniker (davon viele Jahre in der Audiotechnik) half mir bei der Annäherung daran. Meine bisherigen Ergebnisse: Keine der oben aufgeführten Aussagen ist allein gültig. Im Umkehrschluss: Alle treffen ein wenig zu – je nach Gerät mehr oder weniger. Man muss das Thema Einspielen einfach differenziert betrachten.
Hör- und messbare Effekte
Für mich ist die Notwendigkeit zum Einspielen bei Lautsprechern am stärksten. Man kann sogar messtechnisch nachweisen, dass ein frisch gefertigter Lautsprecher andere sog. Thiele-Small-Parameter aufweist, als ein mehrere Tage gelaufener. Diese Thiele-Small-Parameter beeinflussen die Wiedergabe eines Lautsprechers an seinem unteren Ende des Frequenzspektrums. Insbesondere die Sicke (der Ring, der die Membran mit dem Chassis verbindet), bei manchen Materialien aber auch die Membran selbst, entwickelt ihre dauerhaften Eigenschaften (Elastizität) erst, nachdem sie eine Zeit lang gelaufen ist. Es können Schallpegelveränderungen bis zu einigen Dezibel auftreten, die deutlich wahrnehmbar sind. Bis in den Mittelhochtonbereich hinein können zudem Veränderungen im Verzerrungsverhalten auftreten.
Was für Lautsprecher gilt, gilt natürlich auch für Kopfhörer und Mikrofone: Eine gewisse Einspielzeit ist hier durchaus nötig und üblich.
Schwieriger ist es bei Verstärkerelektonik. Im Vergleich zu Lautsprechern bringt das Einspielen hier nach meinen Erfahrungen weniger, ist aber dennoch oft hörbar – wenn auch nicht messbar. Hier scheinen es speziell die Netzteile in Leistungs-Endstufen – und darin wiederum die Sieb- (Elektrolyt-) Kondensatoren – zu sein, die in den ersten Stunden ihre Eigenschaften noch geringfügig verändern. In den vergangenen Jahren baute ich einige Dutzend solcher Endstufen auf. Mangels frischer Ware musste ich einmal benutzte Elkos von einem Verstärker in einen anderen umbauen. Während sich neue Verstärker sonst erst nach etwa einem Tag wirklich gut anhörten, klang dieser schon perfekt, nachdem ich ihn zuvor nur etwa eine Stunde lang getestet hatte. Messtechnisch konnte ich diesem Phänomen auch mit einem hochempfindlichen Audio-Analyzer von Rohde & Schwarz nicht auf die Schliche kommen. Änderungen im Amplitudenfrequenzgang waren ebenso wie Änderungen im Verzerrungsverhalten nur im Rahmen der normalen Messungenauigkeiten feststellbar.
Einspielzeit
Leider kann nie vorausgesagt werden, wie lange das Einspielen zu dauern hat. Auf Geräteebene findet ein Teil des Einspielvorgangs oft schon in Form von Prüf- und Testphasen statt, manche Geräte benötigen nur wenige Stunden, um ihr volles Klangpotenzial zu entfalten. Bei anderen kann es auch viel zig Stunden (= Tage) dauern, bevor das Klangbild stimmt. Dazu kommt natürlich noch die persönliche Empfindlichkeit für die Wahrnehmbarkeit von feinen Klangunterschieden. Ist ein Gerät schon längere Zeit auf dem Markt, stehen aber oft Informationen dazu im Internet bereit.
Psychoakustische Effekte
Diese Effekte sind nicht zu leugnen. Wir sind sehr festgelegt auf das Vertraute, Veränderungen nehmen wir zunächst oft als unangenehm wahr. Selbst wenn objektiv eine Verbesserung eintritt, wird sie zunächst als subjektive Verschlechterung gewertet. Beispiel: Ein Kleinlausprecher mit künstlich aufgeblähtem Bass wird gegen ein größeres Modell mit ausgewogenerem Frequenzgang getauscht. Dort ist keine Bass-Anhebung vorhanden, dafür werden nun aber auch sehr viel tiefere Frequenzen wiedergegeben. Dennoch denken die meisten zunächst: "Da fehlt doch etwas!" Wenn man sich dann jedoch durchringt, den neuen Lautsprecher zu behalten, wird man einen weiteren Hörvergleich einige Wochen später vermutlich genau andersherum beurteilen: "Unangenehm lauter Bass, aber kein echter Tiefbass" für den alten Lautsprecher und "Wunderbar ausgeglichen" für den neuen.
Auch an schlechte Eigenschaften kann man sich gewöhnen. Werden zum Beispiel die höheren Freuenzen im Pegel leicht angehoben, scheint man mehr Details zu hören, die zusätzlichen Informationen werden positiv gewertet. Hat man sich daran gewöhnt (dazu reichen wenige Minuten), und nimmt man die Höhenanhebung zurück – hört man also wieder linear –, wird das Klangbild sofort als dumpf und langweilig empfunden.
Wir sehen: Dank unseres wandlungsfähigen Gehirns sind wir in der Lage, uns über die Zeit an viele Dinge einfach zu gewöhnen. Auf Hörgewohnheiten bezogen wird das gern als Schönhören bezeichnet. Nach einiger Zeit gefällt einfach fast jedes Gerät – zumindest soweit es einige Minimalanforderungen nicht unterschreitet.
Wir sollten uns allerdings davor hüten, nun alle Einspielvorgänge pauschal als Gewöhnungseffekt oder gar Schönhören abzutun. Im nächsten und letzten Abschnitt beschreibe ich kurz den Ablauf eines Einspielvorganges – und wie man den Gewöhnungseffekt ausklamern kann.
Einspielvorgang
Gönnen Sie jedem Neugerät eine Einspielzeit. Außer ein wenig Zeit kostet es nichts. Und selbst wenn es nichts nutzt, so schadet es auf der anderen Seite auch niemals!
Um Gewöhnungseffekte auszuschließen, betreiben Sie das Neugerät unbeaufsichtigt einige Stunden bis einige Tage lang in einem Nebenraum im Dauerbetrieb, bevor Sie ernsthafte Hörtests und -vergleiche durchführen. Als langjähriger Musikfan weiß ich leider, wie schwer es ist, ein lang erwartetes neues Gerät nicht hören zu dürfen. Aber vielleicht bewahrt es Sie davor, ein wirklich gutes Gerät zurückzugeben, nur weil es nach dem ersten Einschalten nicht gleich perfekt klingt! Vor einigen Jahren wäre es mir nach dem Kauf eines neuen Kopfhörers und ungeduldigen Hineinhörens fast so ergangen; heute ist es mein liebster von x Kopfhörern!
Beim Einspielen sollte das ganze für den Menschen hörbare Frequenzspekrum zwischen rund 20 Hz und 20 KHz abgedeckt sein. Wenn Sie technisch gut ausgerüstet sind, benutzen Sie einen NF-Wobbelgenerator oder auch einen Rauschgenerator für das Einspielen. Ansonsten behelfen Sie sich mit einem ganz normalen Musikprogramm, denn genau das möchten Sie ja später auch über das einzuspielende Gerät hören.
Eine moderate Lautstärke ist ausreichend, Sie müssen weder Gerät noch Gehör mit zu hohen Dauer-Pegeln malträtieren. Auch Ihre Mitbewohner/innen werden es Ihnen danken.
Nachtrag (28.03.2018): Einge Jahre nach Erstellung dieses Beitrages – und nach dem schnellen Siegeszug der Smartphones und anderer Mobilgeräte – bieten sich zahlreiche Apps für Android oder iOS an, um als Signalquelle zu dienen; einfach im entsprechenden App-Shop nach den Begriffen Funktionsgenerator oder Rauschgenerator suchen!