Kopfhörer Sennheiser IE8
Typ: In-Ohr, geschlossen
Bewertung:
Beim Preis des Sennheiser IE 8 fragt man sich, ob es sich lohnt, für einen kleinen Inohr-Kopfhörer 300 Euro auszugeben. Die Antwort: Es lohnt sich!
Lieferumfang, Verarbeitung
Der Kopfhörer wird in einem robusten Behälter aus Pappe und Kunststoff geliefert. Darin befindet sich ein weiterer Behälter, die Transportbox. Unterwegs sind Kopfhörer und Zubehör darin stets gut geschützt. Das Hauptfach ist groß genug, um den Kopfhörer und Original-Zubehör sowie vielleicht einen (leider nicht mitgelieferten) Klinkenadapter auf 6,3 mm aufzunehmen. Die Gummieinlage sollte man – um alles hineinzubekommen – am besten entfernen. Für mich hat die Transportbox einen hohen praktischen Nutzwert.
Der IE8 selbst ist unscheinbar, aber sehr sauber gefertigt. Das Kabel ist austauschbar und sehr hochwertig verarbeitet und zeigt kaum Neigung zu Drall. Der Klinkenstecker ist nicht vergoldet, was aber keinen Nachteil darstellt, denn eine gute Vernickelung kann durchaus besser und dauerhafter sein als eine schlechte Vergoldung.
Neben 9 Paar Ohrpolstern finden sich optionale aufzusteckende Ohrbügel, ein Kabelclip sowie ein Kombi-Werkzeug zur Einstellung des Bass-Pegels und zur Ohrpolster-Säuberung.
Technik
Dank niedriger Impedanz von 16 Ohm und hohen Wirkungsgrades von 107 dB/mW ist der IE 8 an sehr vielen Quellgeräten nutzbar, vom mobilen Player bis zum Vollverstärker. Auch bei niedriger Ausgangsspannung kann dadurch genügend Leistung in Schalldruck umgesetzt werden kann.
Allerdings kann die niedrige Impedanz auch für klangliche Probleme sorgen: In mobilen Geräten sind meist Ausgangskondensatoren nötig, um Gleichspannung von den Kofhörern fernzuhalten. Aus Kosten- und Platzgründen sind diese oft knapp dimensioniert. Bei 16 Ohm können sie dann für einen deutlichen Pegelverlust im unteren Bassbereich sorgen, der unterhalb 50 Hz durchaus im Bereich mehrerer Dezibel liegen kann und dann deutlich wahrnehmbar ist.
Außerdem muss für eine gute Anpassung die Ausgangsimpedanz des Quellgerätes sehr niedrig sein. Problee könnten in dieser Hinsicht am ehesten die über Widerstände ausgekoppelten Kopfhörerausgänge von Receivern, Vollverstärkern und Endstufen bereiten.
TIPP: Für den Heimbetrieb einen hochwertigen zusätzlichen Kopfhörerverstärker anschaffen, der unverzerrt etwa 60 - 100 Milliwatt (1 Veff.) an 16 Ohm liefern kann und dabei eine untere Grenzfrequenz (-3 dB) von möglichst deutlich unter 20 Hz hat. Billigmodelle unter ca. 100 Euro dürften für einen IE8 jedoch ungeeignet sein. Der Kopfhörerverstärker sollte, wenn möglich, ohne weiteren Vorverstärker direkt ans Quellgerät angeschlossen werden.
Klang
Frisch ausgepackt klang der IE8 trotz guten Quellgerätes zunächst dünn und blechern. Nun wurde er zunächst für einen Tag an einen CD-Player angeschlossen und mit moderater Lautstärke im Dauerbetrieb eingespielt. Erst danach wurde der IE 8 für einen zweiten Versuch wieder aufgesetzt. Der Plastik-Sound hatte sich nun gelegt, allerdings war der Klang noch immer sehr bassschwach. Nach dem Tausch der kleinen Standard-Ohrpolster gegen größere stellte sich endlich ein wenig Bass ein, allerdings noch immer etwas zu dünn, Brillanz- und Hochtonbereich eine Spur zu laut.
Schließlich setzte ich relativ große Gummiaufsätze eines älteren Sony-Kopfhörers auf: Jetzt rastet das Klangbild förmlich ein und der Bass ist perfekt: tiefreichend und voll, aber niemals aufdringlich oder gar dröhnend. Der Effekt war auch nach späteren Wechseln immer eindeutig nachvollziehbar!
Anmerkung: Bislang war die Stellschraube am IE8 für den Bass noch nicht verändert worden. Für den Betrieb am mobilen Player musste sie nun um 2 Einheiten angehoben werden. Offenbar produziert mein mobiler Player mit dieser 16-Ohm-Last schon einen Pegelabfall im Tiefbassbereich, der mit der leichten Anhebung wirkungsvoll kompensiert wird. Nach dem Anschluss des IE8 an einen echten Kopfhörerverstärker musste ich sie wieder auf das Minimum zurückgedrehen, weil der Bass sonst zu laut wurde. Auch diese Phänomene sind eindeutig reproduzierbar.
Nach dem Test verschiedenster Musik-Materialien klingen die Bässe für mich immer sehr differenziert: Kontrabässe so knarzig, wie man es aus dem Konzertsaal kennt. Eine Bassdrum je nach Aufnahme mal voluminös, mal knochentrocken fast als Knall. Kammermusik für Violine und Cembalo fehlt der Bass hingegen – weil eben kein bassproduzierendes Instrument mitspielt! Der IE8 versucht hier nicht, zu sounden und dem Originalklang einen nicht vorhandenen Bass hinzuzufügen.
TIPP: Die Basswiedergabe ist extrem vom eigenen Gehörgang und der Dichtung der Ohrpolster abhängig. Da der IE8 nicht tief in den Gehörgang eingeschoben wird, sind für eine hundertprozentige Abdichtung eher große als kleine Ohrpolster geeignet, und eher schwabbelig-weiche als harte. Sie passen sich am besten den kleinen Unebenheiten an. Wer bei den mitgelieferten Polstern nicht fündig wird, sollte sich einen Satz preiswerter Gummipolster Sony EPEX 10 beschaffen, bei mir sitzen die größten (mit weißem Ring) am besten.
Zurück zur Klangbeschreibung: Ganz besonders gefällt mir auch der für Sprache und Gesang so wichtige Grundtonbereich. Der Mitteltonbereich schließt sich bruchlos an und ist völlig frei von Näseln oder anderen Verfärbungen. Der Hochtonbereich ist sehr klar und sauber durchgezeichnet, keine Spur von Verzerrungen oder Zischeln. So breitbandig und unverfärbt habe ich Kopfhörer selten gehört. Auch die Räumlichkeit kann überzeugen. Je nach Aufnahmequalität spielt sich das musikalische Geschhehen nicht nur innerhalb des Kopfes zwischen den Ohren ab, sondern scheint durchaus auch von außerhalb zu kommen. Einzelne Instrumente sind sehr schön voneinander getrennt und gut einzeln ortbar.
Alle Details einer Aufnahme werden hörbar, aber stets unaufdringlich und mit einer gewissen Wärme. Wenn man zuvor einen preiswerten Hörer mit kräftigem Klangbild hörte, mutet der IE8 im ersten Moment fast langweilig an. Schnell zeigt sich aber, dass es sich lediglich um das Fehlen unnötiger Effekte handelt. Diese Effekte verdecken bei anderen Kopfhörern die darunterliegenden Feinheiten; der IE8 arbeitet sie durch Verzicht auf Effekthascherei heraus.
Glücklicherweise ist er trotzdem kein brutaler Analytiker, wie andere teure Inohr-Kopfhörer. Der IE 8 schafft es auch bei nicht perfekter Aufnahmequalität, den Spaß daran nicht ganz zu zerstören. Was nicht heißen soll, dass er ein Weichzeichner oder Gleichmacher ist, aber er richtet nicht noch zusätzlich die Lupe auf Aufnahmefehler. Das ist für mich Musikalität allererster Güte! Die nahezu perfekte Musikwiedergabe gelingt dem IE8 über alle Musikrichtungen hinweg, er hat keine Vorlieben oder Abneigungen.
Selbst mit einem großen, offenen Bügelkopfhörer von Beyer konnte der IE8 locker mithalten. Lediglich die Wiedergabe der Räumlichkeit gelang dem Beyer ein klein wenig souveräner und luftiger – aber das sind die typischen Unterschiede zweier ansonsten völlig unterschiedlicher Bauformen. 95% der verglichenen Aufnahmen jedenfalls klangen über den Sennheiser tonal ausgewogener.
Der IE8 stellt hohe Anforderungen an Quellgeräte und Verstärker. Obwohl er rein technisch in der Lage ist, an fast allen Geräten betrieben zu werden, schränkt das die Auswahl letztlich deutlich ein. Gnadenlos entlarvt er z.B. die merkwürdig aufgebläht klingende Minianlage, die wohl mit fetter Abstimmung an Kleinstlautsprechern zu punkten versucht. Auch lieblos mit Billig-OPs aufgebaute Kopfhörerausgänge von Vollverstärkern oder CD-Playern können nun grausam klingen. Erst an sehr guten Verstärkern oder speziellen Kopfhörerverstärkern läuft er zu seiner Höchstform auf. Ein geeigneter Verstärker kann leider schnell teurer als der Kopfhörer selbst werden.
Die eingangs gestellte Frage nach dem Preis möchte ich am Ende des Klangtests so beantworten: Für vergleichbaren Lautsprecherklang wären erheblich höhere Investitionen notwendig – nach meinen Erfahrungen mindestens im oberen vierstelligen Bereich. Auch für einen Kopfhörer, der sich nochmals deutlich vom IE 8 abhebt, müsste man sich auf ein sehr viel höheres Preis-Niveau und in die Gruppe der Bügelkopfhörer begeben. Etwa in die 1.000-EUR-Klasse, zu den dynamischen AKG-, Beyer-, Grado- oder Sennheiser-Top-Modellen, oder – nochmals min. 1000 EUR teurer – zu einem elektrostatischen Stax-Modell. Dagegen mutet der IE8 wie ein echtes Sonderangebot an.
Praxis
Mit den Gummipolstern von Sony spüre ich den IE 8 kaum. Er wird nicht besonders tief in den Gehörgang eingeschoben, was sehr angenehm ist. Dennoch sitzt er bombenfest und neigt nicht zum Herausfallen.
Die Abschirmung gegen Umgebungsgeräusche ist so gut, wie sie rein passiv nur sein kann. Auch Eigengeräusche vom Kopfhörergehäuse oder den Kabeln werden stark unterdrückt.
Dank seiner guten praktischen Eigenschaften, gekoppelt mit unaufdringlichem Klang, erlaubt der IE 8 stundenlanges Musikhören ohne Ermüdungserscheinungen.
Fazit
Den Sennheiser-Ingenieuren ist mit dem IE 8 ein großer Wurf gelungen. Insgesamt ist sein Klang neutral und ehrlich. Er ist feinauflösend, verfällt aber nie in reines Aufdröseln des Klanges, sondern behält immer eine gewisse musikalische Wärme.
Der IE 8 ist sehr gut verarbeitet und universell einsetzbar, wächst aber mit der Qualität der vorgeschalteten Elektronik. So verlangt er nach einem sehr hochwertigen Zuspieler. Für den Heimeinsatz bietet sich ein zusätzlicher hochwertiger Kopfhörerverstärker an.
Der Sennheiser IE 8 gehört zu den besten derzeit erhältlichen Kopfhörern – in der Gruppe der Inohr-Kopfhörer steht er für mich sogar an erster Stelle. Trotz des nicht geringen Preises halte ich das Preis-Leistungs-Verhältnis für sehr gut. So kann ich am Ende eine ausdrückliche Empfehlung für jeden ernsthaften Musikliebhaber aussprechen.
Testzeitraum: 01.03.2010–01.04.2010
Nachtrag Juni 2019
Nach rund neun(!)jährigem regelmäßigem Einsatz läuft der IE 8 noch wie am ersten Tag und zeigt keinerlei Abnutzungserscheinungen. Mittlerweile mag es Konkurrenzprodukte geben, die ein wenig besser sind oder auch ein wenig günstiger. Da der Kopfhörer seinen Dienst weiterhin tadellos verrichtet und ich noch immer mehr als nur zufrieden mit ihm bin, besteht für mich jedoch keine Veranlassung, nach einem Ersatz Ausschau zu halten.