Kopfhörer Bowers & Wilkins PX5 - Boehmke Online

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Kopfhörer Bowers & Wilkins PX5

Typ: Auf-Ohr, geschlossen, Bluetooth + Kabel, ANC
 
Bewertung:
 
Wahrscheinlich habe ich in meinem Leben mehr Kopfhörer (KH) „verschlissen“ als Lautsprecherboxen. Bislang waren es immer kabelgebundene KH; denn klanglich konnten mich Funk-KH bislang nicht überzeugen. Ganz besonders solche mit eingeschalteter aktiver Geräuschunterdrückung klangen in meinen Ohren grausig – gleichgültig, welch prominenter Schriftzug das Modell zierte. Um sie beim Namen zu nennen: Bei Bose und Sony konnte ich nicht verstehen, dass die Top-KH dieser Hersteller aus dem Bereich Funk plus ANC (Active Noice Cancellation = aktive Geräuschunterdrückung) so viele Anhänger finden. Hochwertige Musikwiedergabe geht anders ...
Ein weiterer Nachteil eines jeden Funk-KHs ist seine Abhängigkeit von der Stromversorgung – jeder Akku ist einmal leer, und jede Nachladung nagt an seiner Lebensdauer, irgendwann ist er also einfach unbrauchbar.
Dennoch brach ich nun mit meiner Tradition der Kabel-KH. Ich brauchte einfach eine aktive Geräuschunterdrückung und hatte teilweise die Kabel satt. Schon ein durch seine Bauart abschirmender KH schützt passiv ein wenig gegen Störgeräusche und zusätzlich werden diese durch die abgespielte Musik überlagert. Der Schallpegel am Ohr ist dank Musik zwar harmonischer als die Störgeräusche, kann aber in der Größenordnung von 90 oder mehr Dezbel (dB) liegen. Bei der aktiven Geräuschunterdrückung kann nun in weiten Frequenzbreichen schon ohne Musik Stille herrschen. Wenn ich dann zusätzlich Musik hören möchte, kann deren Schallpegel deutlich geringer ausfallen. Die Belastung meiner Ohren bleibt damit auch deutlich niedriger.
Da ich Im-Ohr-KH zunehmend als unangenehm empfinde, sollte der neue auf jeden Fall ein ohrumschließender oder ohraufliegender sein. Als Brillenträger habe ich die Erfahrung gemacht, dass ich mit ohraufliegenden KH besser klarkomme, weil die umschließenden irgendwann immer stärker auf die Brillenbügel drücken.
Zunächst führte ich einen kurzen Check geeigneter, aktueller KH durch. Zwei Generationen nach meinen ersten unbefriedigenden Erfahrungen sind sie im Bereich ANC alle ein wenig besser geworden. Das nutzt mir jedoch nichts, wenn sich die Grundcharakteristik ansonsten kaum von den Vorgängern unterscheidet. Zu aufgeblähte Bässe und entweder zu spitze oder zu stark abfallende Höhen und oft eine schlechte Räumlichkeit (die bei KH ja grundsätzlich schwierig ist) kennzeichnen fast alle Modelle. Sennheisers neuester Momentum war vielleicht die einzige Ausnahme, als wirklich musikalisch empfand ich ihn trotz seiner Testsiege jedoch auch nicht.
Dann stieß ich auf Bowers & Wilkins' PX5. Obwohl die Muscheln nur dreh- und ganz leicht kippbar sind, passte er von Anfang an perfekt auf meine Ohren. Die Materialien fühlen sich so angenehm an, dass ich ihn kaum spüre. Obwohl er weitgehend aus Kunststoff gebaut ist, wirkt er recht wertig und robust, an meinem Modell klappert oder knarzt absolut nichts. Die Bedienungselemente sind vielleicht nicht perfekt angeordnet: Wenn ich eine Nackenrolle zwischen meinen Hals und die Sessellehne schiebe (schließlich möchte ich bequem sitzen, wenn ich Musik genießen möchte), können die Taster ungewollt betätigt werden. Das nervt manchmal.
Vor dem ersten Hören wird der KH an ein Akkuladegerät angeschlossen und wird parallel dazu etwa einen Tag lang eingespielt (mit ganz normaler Musik und moderater Lautstärke). Das wird von B & W ausdrücklich empfohlen und entspricht auch meinen Erfahrungen mit Kopfhörern.
Danach wird das Ladegerät entfernt und es erfolgt ein erster Klangtest. Dazu wird das Musiksignal über ein Toslink-Kabel von der Soundkarte des Rechners abgegriffen und auf den als Audio-Transmitter geschalteten FeinTech ABT00102 gegeben. Dort ist für beste Audio-Übertragungsqualität der aptx-HD-Codec eingestellt. Es werden diverse Titel von klassischer Kammermusik über großes Orchester, Chor, Jazzstücke bis hin zu Rock und Techno alles durchgehört, was die Sammlung hergibt. Das Klangbild ist unabhängig von der Musikrichtung immer sehr klar und natürlich. Die Feinauflösung, früher bei solchen KH eher ein Problem, lässt nichts zu wünschen übrig.
Der PX5 klingt sehr verrfärbungsarm und detailgetreu, dabei angenehm und unaufdringlich. Im Gegensatz zu meinem Studiokopfhörer deckt er vielleicht kleinste Fehler beim Mischen und Mastern nicht so gut auf – aber möchte ich das beim genüsslichen Musikhören? Den Unterschied zwischen einer guten und einer schlechten Aufnahme arbeitet er dennoch gut heraus. Dank einer leichten Tendenz zum warmen Klang nervt er auch nach stundenlangem Hören nicht. Im Bassbereich gibt er einfach wieder, was die Tontechniker aufgenommen haben: Ist Bass vorhanden, kann er schon einmal richtig krachen, ist er nur dezent vorhanden, wird er auch dezent herübergebracht und nicht künstlich aufgebläht. Auch hier ist stundenlanges Hören möglich. Besonders fällt mir auch die hervorragende Sprachverständlichkeit auf. Das prädestiniert den PX5 eigentlich auch für den Fernseher, wenn da nicht – aber dazu später mehr ...
Einen Gang heruntergeschaltet am Smartphone bzw. Tablet (beides Mittelklasse-Modelle von Samsung) zeigt sich ein ähnliches Bild. Vielleicht nicht mehr ganz so fein auflösend, klingt der PX5 auch hier tonal sehr ausgewogen, mit angenehmer Räumlichkeit, die auch eine gute Ortbarkeit einzelner Instrumente zulässt (entsprechende Aufnahmen vorausgesetzt).
Erstaunlicherweise ändert sich der Klangeindruck nur außerst geringfügig (und für ungeschulte Hörer vielleicht nicht einmal wahrnehmbar), wenn eine der beiden ANC-Stufen dazugeschaltet werden. Störgeräusche im unteren und mittleren Frequenzbereich werden sehr gut unterdrückt. Wenn draußen Rasenmäher und Baumsäge arbeiten, ist in der stärkeren Stufe davon – auch ohne Musik! – schon nichts mehr zu hören. Sehr tiefe Frequenzen (solche, die man mehr fühlt als hört) dringen natürlich weiterhin durch – weil wir sie nicht nur mit den Ohren sondern auch über den Körper wahrnehmen. Auch bei den höheren Frequenzen gibt es Bereiche, bei denen die aktive Unterdrückung kaum über die passive Dämpfung hinausgeht (in den mittleren Höhen).
Interessant ist der Wechsel vom Bluetooth-Betrieb auf Kabel. Hier verändert sich das Klangbild stärker als beim Zuschalten des ANC. Der gute Gesamtklang bei Bluetooth scheint aus Korrekturen in einem DSP vor der D/A-Wandlung zu stammen, der bei analoger Ansteuerung des KH übergangen wird. Anders kann ich mir den unruhigeren Frequenzverlauf und das tendenziell dünnere Klangbild nicht erklären. Aber diese Unterschiede sind marginal und nur beim konzentrierten Direktvergleich feststellbar.
Wie ich oben schon schrieb, eignet sich der PX5 wegen seiner guten Sprachverständlichkeit prinzipiell auch gut als Fernseh-KH. Umso unverständlicher ist es für mich, dass Bowers & Wilkins ihn nicht mit dem aptx-Codec niedriger Latenz (low latency) ausgestattet haben. Stattdessen ist aptx-adaptive vorgesehen, der zwar automatisch ein HD-Signal erkennt, ansonsten aber nur auf Standard-aptx herunterschalten kann.
Codec
Latenz
SBC170–270 ms
AAC90–150 ms
aptx60–80 ms
aptx HD150–200 ms
aptx Low Latency<40 ms
Die aptx-Codecs mögen allesamt latenzärmer sein, als der Standard-Bluetooth-Codec SBC, 80 Millisekunden Verzögerung sind offenbar noch keine echte Lippensynchronität, denn ich nehme den Unterschied zwischen 40 und 80 Millisekunden als störend wahr. Lippensynchrones Fernsehen oder Videos sind bei Latenzen > 40 ms nur möglich, wenn im Quellgerät Bild und Ton aufeinander abgestimmt (synchronisiert) werden können, ansonsten kommt der Ton beim Zuschauer später an als das Bild. Windows-Medienplayer und entsprechende Android-Apps bieten diese Korrekturmöglichkeiten oft – Fernseher leider eher selten.
Ich betreibe den PX5 nun an einer Sennheiser-Funkstrecke (FLEX 5000). Aber es ist irgendwie schon verrückt, einen Bluetooth-Kopfhörer per Kabel an einem weiteren Funkgerät betreiben zu müssen.
Ansonsten bereitet der Bluetooth-Betrieb keine Probleme; Pairing und spätere Kopplungen verlaufen sowohl mit dem Transmitter wie auch mit den mobilen Android-Geräten schnell und zuverlässig. Steht die Verbindung, habe ich bislang auch keine bluetoothbedingten Störungen gehört.
Die Angaben des Herstellers zur Akku-Laufzeit kann ich bestätigen. Nach insgesamt irgendwo zwischen 20 und 25 Stunden Betriebszeit musste ich den KH nachladen, nachdem er auf etwa 10 % Akku-Kapazität abgefallen war. Wozu die App gut sein soll, verstehe ich nicht so recht, außer vielleicht dem Einblenden des präzisen Akkustandes bietet sie kaum sinnvollen Zusatznutzen.
Insgesamt ist der PX5 für mich ein fast perfekter Funk-Kopfhörer mit aktiver Geräuschunterdrückung. Im allerwichtigsten Bewertungskriterium – dem Klang – überzeugt er mich rundum. Das ANC arbeitet sehr wirksam und wirkt sich, wie auch der zuverlässige Funkbetrieb, erfreulich wenig negativ auf den Klang aus. Auch der Tragekomfort überzeugt, solange der Kopf nicht zu breit und/oder lang ist. Der Preis (300 EUR) ist gemessen an den Ergebnissen in Ordnung; mein Sennheiser IE8 zum gleichen Preis bietet bei vergleichbar hochwertigem Klang deutlich weniger Möglichkeiten. Der zusätzlich nötige Kauf einer zusätzlichen, lippensynchronen Funkstrecke kann das Preisleistungs-Verhältnis jedoch drastisch verschlechtern!
Wegen der Probleme mit der Lippensynchronität bei Video und TV bekommt der PX5 nicht die volle Punktzahl, sondern nur viereinhalb von fünf möglichen Punkten. Den letzten halben Punkt gibt es nachgereicht, wenn Latenz-Problem bessser gelöst ist.
Nachtrag 15.08.2023
Vor zwei Wochen hat der PX5 plötzlich seinen Dienst quittiert. Ohne Ankündigung fiel kurz nach dem Einschalten einfach der linke Hörer aus. Auch Neustart und späterer Komplett-Reset des Gerätes brachten nichts. Nach rund zweieinviertel Jahren – also drei Monate nach Ablauf der Garantie – praktisch ein Totalschaden.
Ein Anruf bei der Support-Hotline brachte das Ergebnis, dass der Kopfhörer auch nicht mehr repariert werden könne, weil es wohl an Ersatzteilen fehle und er auch nicht mehr produziert würde. Aber man wolle mir nach Überprüfung des Gerätes (welches ich dafür an eine Vertragswerkstatt einschicken musste) trotz Garantie-Überschreitung auf Kulanzbasis entgegenkommen und mir den Kaufpreis erstatten. Heute nun erhielt ich vom Händler, bei dem ich den KH während der Corona-Pandemie bestellt hatte, die Gutschrift des vollen Kaufpreises, der mir parallel auf mein Konto zurück überwiesen wurde.
Das nenne ich einmal perfekten Kundendienst seitens aller Beteiligter, insbesondere aber natürlich Bowers & Wilkins. Meinen aufrichtigen Dank dafür!
Der Nachfolge-Kopfhörer (natürlich auch wieder von Bowers & Wilkins) ist mittlerweile eingetroffen und auch schon getestet (s. u.!).
10.05.2021 - 15.08.2023 - 20.08.2023


Kontakt: E-Mail an mediendesign [ät] posteo [Punkt] de
Der Bildnachweis befindet sich im Impresssum!

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